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Wachtel, Hellmuth: Das Buch vom Hund: Die Symbiose zwischen Hund und Mensch. Cadmos-Verl. 2002 ISBN: 3-86127-772-7 hier: Ursprünglich dient die Anwendung des Gebisses als Waffe beim Wildhund verschiedenen Zwecken. Da ist einmal das Ergreifen und Überwältigen der Beute, also bei der Jagd. Im jagenden Rudel springt der Wolf das fliehende Wild meist von hinten an, um es aufzuhalten bzw. durch Blutverlust zu schwächen. Der Leitwolf dagegen versucht meist, die Beute weiter vorn, am Nacken oder Hals, zu fassen zu kriegen, um sie zu Fall zu bringen, oder an der Muffel (Schnauze) zu halten und so auch das stärkste Beutetier zu immobilisieren, vergleichbar dem Nasenring, an dem wir Stiere führen. Kleinere Beutetiere werden erfasst und totgeschüttelt, ganz kleine im Mäuselsprung gefangen und totgebissen. Wehrhaftes Wild, das sich den Verfolgern stellt, wird durch blitzartige Attacken mit schnellem Rückzug, die vor allem von hinten erfolgen, ermüdet und geschwächt. Erweist es sich als zu vital und abwehrkräftig, geben die Wölfe meist den Versuch auf. Ein weiteres Anwendungsgebiet des Gebisses ist die Abwehr von Großraubtieren wie Bären aus der Nähe des Baues, wobei die gleiche Strategie angewendet wird, bis der Eindringling sich trollt. Das Gebiss wird aber auch, wie wir gesehen haben, im Umgang mit Artgenossen gebraucht, wenn Drohmimik und -gestik zur Disziplinierung von Untergeordneten nicht ausreicht, oder bei Ernstkämpfen. "Disziplinierende" Bisse sind meist leichter Natur, der Agressor beißt nur kurz zu bzw. läßt ab, wenn der Gebissene schreit. Rudelangehörige, die unterdrückt (so genannte Prügelknaben) oder gar überhaupt ausgeschlossen und vertrieben werden sollen, werden dagegen mitleidlos und noch dazu meist von mehreren Rudelangehörigen angegriffen. In letzterem Fall und beim schon erwähnten Ernstkampf um obere Rangstellungen kann es auch zu schweren Verletzungen und zum Tod des Unterlegenen kommen. Auch der Hund hat noch weitgehend die Kampfmethoden des Wolfes. Er greift lieber von hinten als von vorn an, doch wurden Rassen selektiert (Bulldogge, Bull Terrier, aber auch Linien von Diensthundrassen), die den direkten Angriff von vorn nicht scheuen und sich richtig verbeissen. Diese Kampfform wird als "Mut" bei Schutzhunden hoch bewertet. Vorzugsweise wird beim Wolf und den meisten Hunden die Kampfform des Stellens angewendet, bei der der Gegner von vorn bedroht, aber nicht angegriffen wird, bis das Rudel bzw. beim Jagdhund der Jäger, beim Polizeihund der Polizist herangekommen ist. Entschlossenes Stellen ohne anzugreifen ist für den Wachhund eine sehr wertvolle Verhaltensweise. Anhaltendes Bellen und eine entschiedene, angriffsbereit erscheinende Haltung des Hundes erweist sich gegenüber menschlichen Eindringlingen höchst wirkungsvoll und ist meist ohne Angriff ausreichend. Die extreme Schmerzunempfindlichkeit und Kampfeslust bis zum Ende so oder so der Pit Bull Terrier und anderer Kampfhunde findet man auch bei den Bauhunden, also Terrierrrassen und Dachshunden, vor allem natürlich in jagdlich geführten Linien. An sich ist es natürlich, in der Erregung des Kampfgetümmels keinerlei Schmerz zu verspüren, Gleiches ist in solchen Situationen auch bei uns Menschen der Fall. So sollen schon Fußballer dem Ball noch nachgelaufen sein, obwohl sie sich den Fuß gebrochen hatten. Doch in solcher Ausprägung ist es ein Defekt, der diese Zuchtlinien zu normalen Kontakten auch mit Artgenossen unfähig macht, also eine Form der Qualzucht. Zu Menschen sind solche Rassen aber von Natur aus nicht gefährlich, zu diesen ist die Sozialität durchaus normal, wenn sie nicht durch Dressur verdorben werden. Gibt es gefährliche Rassen? Gewiss, der Agressionspiegel der verschiedenen Rassen zu fremden Menschen, die das Territorium verletzen oder den menschlichen Partner bedrohen, zu Wild oder zu anderen Hunden ist verschieden. Nicht jede Rasse ist für jeden geeignet, aber Hunde jeder Rasse sind zu sozialisieren und werden dann das, was der britische Maler E. Landseer auf einem Neufundländerbild "ein würdiges Mitglied der menschlichen Gesellschaft" nannte. Außerdem gibt es in jeder Rasse mehr oder weniger gut anpassungs- und sozialisierungsfähige Linien.Wo inadäquate Agression auftritt, ist die leicht durch Selektion in wenigen Generationen auf das normale Maß zurückzuführen. In letzter Zeit hat sich im Verhältnis des Menschen zum Hund Entscheidendes geändert: Der vorwiegend technisch geprägte Mensch der neueren Zeit erregt sich über Tausende Autounfalltote kaum noch, er ist auch wenig bereit, Geschwindigkeitbeschränkungen, die unbestreibar zahlreiche Straßenunfälle vermeiden ließen, hinzunehmen, im Gegenteil, die Autos werden immer stärker und schneller. Tote durch Hundebisse dagegen sind eine extreme Seltenheit, jeder Einzelfall beschäftigt aber die Medien in seitenlangen Reportagen mit Schlagzeilen. Bissverletzungen sind natürlich häufiger. Alle Unfälle mit Hunden haben aber eins gemeinsam: Nur äußerst selten ist der Hund allein oder überhaupt daran "schuld", fast immer ist krasse Fahrlässigkeit des Hundebesitzers oder auch des Gebissenen die Ursache, vor allem aber mangelhafte Erziehung und Sozialisation des Hundes. Dennoch ist die Tendenz, die Hundehaltung zu erschweren oder gar unmöglich zu machen, nicht zu verkennen und im zunehmen begriffen. Wir wollen daher den Unfallursachen mit Hunden, die auf Agressivität zurückzuführen sind, im Detail nachgehen, wobei wir auch nochmals auf das artspezifische Agressionsverhalten zurückkommen müssen. Für die USA liegen die Schätzungen der Bisse zwischen 4 und 8 % der Bevölkerung, die in ärztliche Behandlung kamen, bei 2 % Gebissenen insgesamt. Ein wenig größer ist die Zahl der Hundebisse in den dicht besiedelten Niederlanden, dort rechnet man mit ca. 17.000 Bissen jährlich bei 15 Millionen Einwohnern, das ist ein Biss auf 73 Hunde. In Deutschland beträgt die Zahl der registrierten Zwischenfälle von 1991 und 1993 21.100, dabei wurden 8.360 Personen verletzt, davon 4 % schwer (Wippermann und Berentzen, 1999). Natürlich gibt es auch eine nicht unerhebliche Dunkelziffer, die aber nicht allzu hoch sein dürfte, da wohl nur geringfügige Verletzungen nicht von einem Arzt behandelt werden. Eine Untersuchung in Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1990 ergab 21 Fälle, in denen das Erschießen eines Hundes wegen Angriffen auf Menschen erforderlich war, und zwar in einem Fall von Tötung, in neun Fällen schwerer und elf von leichter Verletzung, das ist eine Verhältniszahl ernster Angriffe von 0,0075 % je Hund. Die Verhältniszahl für Autos beträgt, österreichische Zahlen zugrunde gelegt, ca. 0,76 % pro Kraftfahrzeug, ist also erwa 100-mal höher. Aber nur verschwindende Minderheiten wollen Autos abschaffen, und auch das mehr aus Gründen des Umweltschutzes. In den USA sind ca. 20 Hunde pro Jahr in tödliche Angriffe auf Menschen verwickelt. So schrecklich dies an sich ist, es sind das nur 0,00004 % der Hundepopulation. Menschen, die Menschen töten, sind 200-mal stärker vertreten. Angehörige von Berufen mit Hausbesuch, z.B. Briefträger, sind besonders exponiert. Möglicherweise ist das Verhalten von Hunden gegenüber Briefträgern auch dadurch bedingt, dass sie deren Weggehen auf ihr agressives Auftreten zurückführen, was so durch dieses "Erfolgserlebnis" noch verstärkt wird. Jahreszeitlich steigt die Häufigkeit der Bisse im Frühjahr und dann wieder zur Reisezeit im Sommer. Ein Kind wird im Allgemeinen vom Hund seiner Eltern gebissen. Für 23 % der Bisse war ein Nachbarhund verantwortlich. Auch die Studie von Beck (1975) ergab , daß 38 % der Hundebisse in St. Louis Kinder betrafen, die 15 % der Population ausmachten. Tödliche Unfälle durch Hunde betrafen alte und junge Menschen am meisten, 70 % waren Kinder unter 9 Jahren und 21 % Menschen über 50. Hunde sind zwar zu mehreren als Rudel durchschnittlich gefährlicher als einzelne, statistisch waren aber nur in 20 % zwei und in zehn Fällen mehr als zwei Hunde verwickelt, wie Sacks et al. 1989 berichteten, in solchen Fällen waren mehrheitlich die Hunde der Familie, in zweiter Linie Hunde von Freunden oder Nachbarn verantwortlich. Ernstere Verletzungen werden häufiger durch Rüden zugefügt (Lockwood, 1995).
Wie aber kommt es nun zu Hundebissen? Hier müssen wir zunächst drei Kategorien unterscheiden: So gibt es Bisse, die eigentlich gar keine sind, sondern Unfälle: Schon beim lebhaften Spiel mit seinem Hund kann man sich an dessen Zähnen durch Anstoßen die Haut aufschürfen, ohne daß der Hund zubeißt oder dies beabsichtigte, medizinalstatistisch gesehen ist dies aber eine Bißwunde. "Schnappen" findet man vorzugsweise bei kleineren Rassen, deren Biß einerseits im Allgemeinen nicht folgenschwer ist, die aber andererseits durch grobe Spiele oder Quälereien von Kindern leicht körperlich gefährdet werden können und zur Abwehr beißen. Häufig sind Wachhunde, wie Schäferhunde, genannt, doch kann dies durch deren häufige Haltung und häufige Konfrontation mit fremden Menschen im zu bewachenden Territorium zu tun haben. Die meisten "echten" Bisse sind gehemmte Bisse. Der Hund kennt angeborene "Beißspiele", die zu den beliebtesten Beschäftigungen der Welpen untereinander gehören. Sie lernen dabei, ihre Zähne zu gebrauchen, ohne die Geschwister zu verletzen (Hunde mit angeborener mangelhafter Beißhemmung gegenüber Artgenossen verletzen sich oft bereits im Welpenalter, wie von bestimmten Linien von Bull Terriern und Fox Terriern berichtet wird). Ferner gibt es das Abwehrschnappen, wie es z.B. für Hündinnen gegenüber zudringlichen Rüden typisch ist, und den Angstbiß. In all diesen Fällen ist der Biß mehr oder weniger gehemmt, aber für die dünne Haut des Menschen manchmal eben dennoch zu stark bemessen, sodaß Verletzungen entstehen. Dies gilt vor allem für den Abwehr- oder Angstbiß. Aus dieser Gruppe rekrutiert sich die überwältigende Mehrzahl der Bisse, die ja gottlob meist leichte Verletzungen darstellen. Im Spiel mit Kindern treten vorwiegend Verletzungen auf, die aus Spiel-, Disziplinierungs- und Abwehrbissen resultieren. Manchmal ist eben der Spielbiß zu stark geraten, was vor allem bei jungen Hunden öfter vorkommt. Im Allgemeinen wird dabei vorher durch Knurren und/oder In-die-Luft-Schnappen gewarnt. Große Hunde können kleinere Kinder auch umwerfen, sich darüber stellen und gefährlich knurren, meist ohne zu beißen. Zu den Disziplinierungsbissen gehören wohl auch solche, die aus dem Funktionskreis des Hüteinstinktes stammen. Vor allem Schäferhunde lassen oft Fremde ohne weiteres ein, wollen diese sich aber entfernen, springen sie sie an oder beißen sie meist gehemmt, wie sie es bei widerspenstigen Herdentieren tun würden, die auszubrechen versuchen. Wir dürfen hier übrigens nicht "Beißhemmung" mit "gehemmtem Biß" verwechseln. Beißhemmung heißt, das auch in einer agressiven Situation nicht gebissen, allenfalls geknautscht wird. Gehemmt gebissen wird in den erwähnten Situationen, ungehemmt gebissen im (unter Umständen tödlich endenden) Ernstkampf und bei Hunden mit erblich und/oder erziehungsmäßig gestörter Sozialisation mit Artgenossen und/oder Menschen. Meist gehemmt beißen auch Hunde, denen man ihren Futternapf wegnimmt oder denen von ihnen als untergeordnet betrachteten Familienmitgliedern, z.B. Kindern, Ruheplätze streitig gemacht werden. In Gefahr, gebissen zu werden, kann sich natürlich auch jemand befinden, bei dem sich der Hund, durch falsche Erziehung ermutigt, als Rudelführer fühlt. Das ist bei Tieren mit Neigung zur Dominanz dann der Fall, wenn man ihnen widerspruchslos nach Belieben die besten Plätze (Bett, Schlafzimmer, auf dem Sofa usw.) überläßt, Widerstand gegen Körperpflege (Bürsten, Kämmen) akzeptiert usw. Gefährlich, aber sehr selten, sind ungehemmte Bisse auf Menschen. Auch die meist ungenügend gehemmten Angstbisse sind gelegentlich, doch ebenfalls selten, schwerwiegend. In Jahrtausenden wurde ja der Hund so selektiert, daß nur diejenigen Tiere zur Fortpflanzung kamen, die weder aus Angst noch aus Aggression Menschen beißen oder deren Aggression sich jedenfalls keineswegs gegen ihren Herrn oder dessen Familie richtet. Nur wenn diese Selektion nachläßt, wie bei den kommerziellen Massenzuchten (puppy farms), manchmal auch durch inzuchtbedingte Wesensstörung, kommt es zu Rückentwicklungen auf wildhundähnliches Verhalten, d.h. Scheu mit Neigung zum Angstbiß und ungenügende Beißhemmung gegenüber dem vertrauten Menschen. Dies, soweit es die nätürlichen Anlagen betrifft.
Aber selbstverständlich spielen fast immer die Umweltbedingungen, also insbesondere Haltung, Sozialisation und Erziehung, die Hauptrolle, d.h., auch ein Hund mit guten Anlagen kann unter Umständen zum Angst- und Aggressionsbeißer verdorben werden. Vermutlich kommen die positiven Genanlagen nur zur vollen Wirkung, wenn sie in der prägsamen Phase der Sozialisierung auch aus der Erfahrung heraus bestätigt werden. Ungenügende Sozialisierung im Welpenalter auf Artgenossen und Menschen, Haltung an der Kette oder isoliert im Zwinger ohne Abwechslung und Auslauf oder gar "Scharfmachen" ohne Erziehung zur Verlässlichkeit im Umgang mit Fremden, Quälen und brutale Behandlung bringen unter Umständen tiefer liegende ursprüngliche Abwehrmechanismen zur Vorschein, wie wir das ja auch von Menschen in überfüllten Straflagern kennen. Aus dieser Sicht kann man nur staunen, wie wenig schwere Unfälle mit Hunden eigentlich vorkommen, was sogar einmal der "Spiegel" bestätigte. Es gibt aber noch genug davon, um die Spalten der Boulevardpresse besonders im Sommer mit Horrorgeschichten zu füllen, und gelegentlich ist auch eine stichhaltige dabei. Dem heutigen Menschen fehlt offensichtlich ein Ungeheuer, gegen das er mit Sensen, Lanzen und Dreschflegeln wie im Mittelalter zu Felde ziehen könnte. Ein brauchbarer Ersatz dafür sind die Antihundkampagnen der Zeitungen, welche die entsprechenden schaurigen Emotionen hervorrufen. Die internen, echten Probleme der Menschen von heute sind so sehr Alltag geworden (Kriminalität, Drogensucht, Terrorismus), dass sie zwar Ängste, aber nicht die so angenehm-gruseligen urzeitlichen Schauer hervorrufen wie etwa entsprungene Löwen, Alligatoren, Schlangen. Das Tiermonster ist uns abhanden gekommen, scheint aber ein urtümliches Bedürfnis des Menschen zu sein, daher der Erfolg der Dinosaurier im Film und die Dämonisierung der Hunde in den Medien. Möglicherweise war der Hund davor in gewissem Ausmaß geschützt, solange "Untiere" noch durch unsere Wälder streiften und der Hund uns vor ihnen wirksam schützte. Ungehemmte Bisse kommen wohl auch als Unfall vor, etwa wenn man kämpfende Hunde trennen will und seinen Hund dabei von hinten anfaßt, sodaß er sich irrt und in der Hitze des Gefechtes annimmt, es sei das ein weiterer Angreifer und nicht sein Besitzer. Weitaus die Hauptrolle für das spätere Verhalten des Hundes spielt die Aufzucht des Welpen, dessen Sozialisierung ja zwischen der dritten und zehnten Woche vor sich geht. In Frankreich gibt es das Sprichwort "à bon maitre, bon chien" (guter Herr, guter Hund), das also auch durch wissenschaftliche Studien erhärtet wird. In der Sozialisierungsperiode sollte der Welpe reichlich mit Personen vertraut gemacht werden, die sein Territorium betreten. Eine zweckmäßige Ausbildung bewahrt dem Wachhund gleichwohl die Fähigkeit, bei einem unerwünschten Eindringlich richtig zu reagieren. Der Junghund soll also zum Umgang seiner Familie dasselbe Vertauensverhältnis erwerben, wie diese selbst. Versuche, die Aggressivität gegen andere zu steigern, könnten sich eines Tages gegen den Erzieher selbst richten, wird vermutet (und sind überdies ungesetzlich!). Dies ist allerdings unbewiesen. Meist sind auch sonst scharfe Wachhunde durchaus umgänglich mit ihren Bezugspersonen wie andere auch. Schwerwiegende Verletzungen durch Hunde sind also relativ selten. Das Gebiß verursacht eine bogenförmige Kneifwunde durch die Schneidezähne, die tiefer eindringenden Eckzähne führen zu Quetschungen und Rissen. Durch Schütteln und Ziehen kann es zum Herausreißen des Erfaßten kommen, fatalerweise betroffene, erfahrene Tierärzte reagieren in einem solchen Fall daher durch Nachgeben. Am häufigsten ist das Gesicht betroffen, besonders bei Kindern. Weniger häufig sind Bisse in Gliedmaßen. Die Wunden sind immer infiziert, in der Tiefe durch die Eckzähne. Das erfordert spezielle therapeutische Behandlung. Folgende Regeln sind
insbesondere für Kinder, aber auch für nicht als
ranghöher anerkannte Erwachsene im Umgang mit Hunden zu empfehlen.
Das bedeutet vor allem: nicht in Hundekämpfe eingreifen; Hunde nicht reizen oder mißhandeln, vor fremden Hunden nicht schreien oder Arme schwenken; schlafende oder fressende Hunde nicht stören; das Gesicht nicht der Hundeschnauze nähern und fremden Hunden nicht in die Augen schauen; Hunden das Futter, das Spielzeug oder die Futterschüssel nicht wegnehmen; Hunde nicht am Schwanz ziehen; vor einem unbekannten Hund nicht radfahren, laufen oder Rollschuh fahren und überhaupt nicht schnell entfernen, sich nicht auf den Boden werfen und herumkriechen; bei aggressiver Näherung des Hundes ruhig und gerade stehen mit angelegten Armen, Blick wegwenden, eventuell langsam ohne umzudrehen schräg vom Hund weggehen. Wird man umgeworfen, Gliedmaßen an den Körper und Kopf anlegen; abgelenkte oder eingeschlafene Hunde nicht berühren; auch beim Spiel einen Hund nicht übermäßig aufregen; ohne Gegenwart von Erwachsenen einen Hund nicht füttern; einen fremden Hund nicht berühren oder versuchen, sich aufzudrängen, sondern warten, bis er auf einen zukommt;
Gut erzogene Hunde sind zwar auch in allen diesen kritischen Fällen verläßlich, doch sollte man es nicht darauf ankommen lassen. Im Übrigen soll man einen Hund nicht beengt einsperren oder gar anketten, Kindern nicht erlauben, allein einen größeren Hund zu führen, und ihnen beibringen, daß der Hund auch auf eine gewisse Selbständigkeit und Freiheit von menschlicher Belästigung ein Anrecht hat. Die Hauptursache für Hundebisse sind unzureichende Sozialisierung, fehlende Ausbildung zum Begleithund und unzureichende Beschäftigung bzw. zu viel Alleinlassen und ungenügende Aufsicht. Wie Elten ihr Kind zum Umgang mit dem Hund erziehen, ist dabei ebenso wichtig wie die Erziehung des Hundes. Wenn es auch bösartige, dumme oder im Wesen fehlerhafte Hunde gibt, die Hauptrolle beim Problem Hundebiß spielt die Erziehung, also der Faktor Mensch. Bei Angstbeißern handelt es sich, wie der Name sagt, oft um furchtsame, neurotische Hunde, doch nicht alle so genannten Angstbeißer sind ängstlich (es ist das eben ein Rückfall in Wolfsverhalten), und so können auch weniger furchtsame Hunde "Angstbeißer" sein - eine bessere Bezeichnung ist dann "Protestbeißer" -, während bei der Mehrzahl der ängstlichen eben die haushundtypische Beißhemmung gegenüber (vorwiegend) übergeordneten Menschen funktioniert. Wie manche andere Untugend hat das Angstbeißen eine ererbte und eine erlernte Ursache. Ererbt ist die Verteidigung eines geängstigten Tieres mit seinen Waffen, den Zähnen. Angstbeißen ist also ein Rückschlag bei ungenügender Zuchtauslese. Andererseits aber kann die vorhandene Anlage verstärkt werden oder überhaupt erst dann zum Ausbruch kommen, wenn das Jungtier nicht ausreichend an Menschen sozialisiert wurde und daher scheu geblieben ist. Hier hat man die Möglichkeit, durch Erziehungsmaßnahmen korrigierend einzugreifen. Es ist dies das häufigste Aggressionsproblem beim Hund überhaupt. Beim Angstbeißer ist auch meist die ursprüngliche "kritische Distanz" des Raubtieres reaktiviert. Darunter versteht man bekanntlich jenen Abstand, bis auf den ein Raubtier, etwa ein Löwe im Zirkus, den Menschen, dem er misstraut, herankommen läßt, ohne ihn anzufallen. Sie ist nicht zu verwechseln mit der "Respektdistanz", die ein dominantes Tier in den meisten Situationen von einem rangniedrigeren voraussetzt. Die kritische Distanz ist dagegen bedingt durch Angst oder auch durch Bedrohung von Besitz, der Welpen oder des engeren Territoriumbereiches. Fremde werden oft angeknurrt und bedroht, wenn sie einen angebundenen Hund an der Leine mitnehmen wollen. Gehen sie aber nicht direkt auf den Hund zu, sondern streben scheinbar ein anderes Ziel an, ohne dabei den Hund anzusehen, ist es oft möglich, die Leine zu ergreifen und den Hund widerstandslos wegzuführen. Ähnliches geschieht, wenn ein Fremder, den der Hund von außen nicht hereinkommen ließe, sich schon im Territorium des Hundes befindet, sobald der Hund es betritt. Dann zeigt der Hund oft eine gewisse Unentschlossenheit und gähnt z.B. als Übersprungshandlung, was etwa dem menschlichen Kopfkratzen vergleichbar ist, läßt den Eindringling jedoch ungeschoren. Den Protest-(Angst-)beißern geht es nicht wie Hunden, die um ihren Rang kämpfen, um einen ernsten Angriff, sondern um Verteidigung bzw. Abwehr, daher sind die dabei verursachten Verletzungen meist wesentlich weniger schwer als bei einem richtigen Rangordnungskampf. Ein Wildhund wird körperliche Berührungen, die
nicht
im Spiel oder bei freundschaftlicher sozialer Beziehung erfolgen, meist
nicht dulden, da er sie als rangmindernd auffaßt. Daher ist es
für Fremde, aber - bei nicht ausreichender Erziehung des Hundes -
auch für nicht als einwandfrei ranghöher anerkannte Kinder
und andere Familienmitglieder nicht immer ratsam, den Hund anzufassen,
zu streicheln usw. Besonders
Berührungen von oben wirken auf den Hund als Dominanzverhalten und
führen daher unter Umständen zum Zuschnappen. Allerdings ist
auch dieses Verhalten bei den meisten unserer domestizierten Hunde
abgeschwächt
oder weggefallen. Nicht wissenschaftlich geklärt, aber oft zu
beobachten
ist, daß Kinder bei Hunden die "Narrenfreiheit" von Welpen haben,
d.h. dass sie sich Dinge erlauben dürfen, die der Hund einem
tieferrangigen
Artgenossen oder nicht anerkannten Menschen gegenüber nicht
hinnehmen
würde. Das würde bedeuten, dass Hunde die Kindlichkeit von
Menschenkindern ebenso erkennen müssten wie die der Welpen. Das
erscheint zunächst wenig wahrscheinlich, da der Hund ja nur auf
das Winseln, Verhalten, den Geruch usw. von jungen Individuen der
eigenen Art, also Welpen, eingestellt sein müßte. Es spricht
aber tatsächlich viel dafür, dass Hunde Kinder als solche
respektieren, da ja diese vielfach ungestraft Dinge mit dem Hund
treiben können, die er sich sonst nur von einem
ranghöheren Menschen gefallen ließe, die sie aber sonst
selbst
bei Welpen nicht dulden. |